Mein Hausarzt hat vor einer Weile eine homöpathische Zusatzausbildung gemacht und schreibt sich diese jetzt groß auf die Stirn. Ständig empfiehlt er mir pflanzliche Heilmittel/Tees/Globuli und was es nicht alles sonst noch gibt.
Kann das überhaupt wirken oder meint ihr ich sollte den Hausarzt wechseln?
Hallo,
der reine Nutzen von Zuckerkügelchen aka Globuli liegt laut diverser Studien etwa auf dem Niveau von Placebos.
Bisher konnte niemand, inklusive diverser homöopathische Vereinigungen, Belege nach wissenschaftlichem Standard vorbringen, dass die postulierte Wirkungsweise wirklich existiert. Nach derzeitigem Wissensstand kann es in den Zuckerkügelchen tatsächlich wirksame Überreste der „Urtinktur“ vorhanden sind. Ganz davon abgesehen, dass es auch für die Wirkungen der einzelnen Tinkturen in Verbindung mit bestimmten Beschwerden keine wissenschaftlichen Belege gibt.
Es scheint bei der Wirkung der Homöopathie die Autosuggestion eine große Rolle zu spielen.
Aber: wenn man sich von einem Heilpraktiker behandeln lässt, der dann im Ergebnis vielleicht homöopathische Mittel gibt oder verschreibt, spielt die Behandlung, das Gespräch mit dem Heilpraktiker eine große Rolle bei der Entwicklung der Krankheit/ der Störung/ des Unwohlseins. Diese Gesprächsbereitschaft vermissen viele Patienten bei Ärzten. Aber vielleicht kann an dieser Stelle auch ein Gespräch mit einem guten Freund hilfreich sein…
Warum nun der Arzt auf den Zug Homöopathie aufspringt? Vielleicht aus dem Grunde, aus dem auch manche Krankenkasse sowas bezahlt: mehr Geld einnehmen. Alternative Heilmethoden sind momentan wieder mal in Mode. Und wer sie befürwortet kann vielleicht den einen oder anderen … ääähhh… Kunden zusätzlich anlocken.
Grüße
Hallo!
Ich denke, hier kommt primär der Placebo-Effekt stark ins Spiel. Des Weiteren führen Homöopathen eine längere Anamnese durch, welche sich positiv auf den Heilungseffekt auswirken kann.
Einen medizinischen Nutzen im klassischen Sinne kann ich persönlich den Kügelchen nicht erkennen.
Gruß
Falke
Hallo.
Vielleicht kann an dieser Stelle auch ein Gespräch mit einem guten Freund hilfreich sein…
Vielleicht, aber hier fehlt in der Regel die „Fachkompetenz“. Der Freund ist nicht jemand, der es „ja wissen muß“.Dem Homöopathen bzw. dem Arzt aber wird solches Vertrauen entgegengebracht. Das spielt schon auch eine Rolle für die Genesung.
Warum nun der Arzt auf den Zug Homöopathie aufspringt? Vielleicht aus dem Grunde, aus dem auch manche Krankenkasse sowas bezahlt: mehr Geld einnehmen
Vielleicht aber auch, weil er Patienten nicht mit (teuren) Medikamenten belasten will, die gar nicht nötig sind?
Selbst wenn Homöopathie nur auf dem Placebo-Effekt beruht: Es ist doch allemal besser, wenn man DAvon gesund wird (und das wird man ja oft genug), anstatt sich irgendwelche Chemie einzuwerfen, deren Wirkungsweise mit Fokus auf die zu behandelnde Störung zwar wissenschaftlich belegbar ist, deren Nebenwirkungen aber aufgrund der psychischen und physischen Komplexität des Organismus eben nie vollständig erfaßt werden können.
Diese Komplexität macht es auch schwierig, die duchaus vorhandenen/aktivierbaren Selbstheilungskräfte zu verstehen. „Psychoneuroimmunologie“ z.B. ist ja noch ein relativ junges Forschungsgebiet.
Aber irgendwann wird man hoffentlich soweit sein, sagen zu können „Pharmakonzerne, ihr könnt uns mal. Um dieses Wehwehchen kümmern wir uns selbst.“ (Bevor jetzt ein Shitstorm über mich hereinbricht: Ja, Pharmakonzerne machen viele tolle Sachen, die natürlich ihre Berechtigung haben, aber es gibt eben auch eine sehr dunkle Seite).
Gruß
Michael
Moin,
wer dran glaubt, dem kann es helfen, muss aber nicht; wer nicht dran glaubt, sollte es gar nicht erst probieren. Such mal nach Placebo, da wird der Effekt schön erklärt.
Gruß Ralf
Auch wenn es mir in den Fingern juckt - ich antworte darauf nicht weiter. Der fragende Anonym hat jetzt zwei unterschiedliche Meinungen und darf sich daraus sein eigenes Urteil bilden.
Zur „Fachkompetenz“ kann man aber so eigene Erfahrungen haben. Ich habe 2mal krasse ärztliche Fehlgriffe erlebt, zum Glück nicht lebenswichtig. Und ich habe auch einen leichten Informationsvorsprung gegenüber „normalen“ Patienten. Nicht jeder Patient geht mit einer zweifelhaften Analyse, Diagnose oder Therapievorschlag wäre geschmeichelt, los, um sich zu informieren.
Mein Weg führte jedenfalls zuerst in die öffentliche Stadtbücherei, danach in die Unibibliothek und als letztes in die Fachbibliothek der thematisch passenenden hiesigen Uniklinik. Erst dort wurde ich fündig, und die Ärztin gab alles zu, und zuckte die Achseln auf die Frage, warum sie mir dann Unsinn erzählt hat. Immerhin hat sie mich dann an den passenden Arzt weiter überwiesen.
Auch ein medizinisch nicht vorgebildeter Laie kann heutzutage Homöopathie als das sehen, was es ist, Wikipedia und anderen sei Dank. Wer den Placebo-Effekt nutzen kann, obwohl er ihn kennt, hat ein bisschen Neid meinerseits. So dumm und glücklich wäre ich auch manchmal gern. Lieber bin ich aber klug und dreiviertelglücklich.
Dass die Pharmaindustrie auch ihre dunklen Seiten hat, ist Tatsache, aber ein anderes Thema.
Welch eine Vergewaltigung der Logik!
Wieso müßte denn ein Arzt, um auf eine tendenziell oder eindeutig eher schädliche medikamentöse Gesamtbilanz zu verzichten, ausgerechnet auf den Homöopathie-Humbug umsteigen?
Also hier einige Basisdaten:
(Nicht so sehr für Dich. Ich nehme nicht an, daß auch nur ein einziges Wort davon Dich irgendwie in diesem oder in einem anderen Leben tatsächlich positiv wirksam erreichen könnte. Aber für einen möglichen aufgeschlossenen Leser. Soll 's auch bei Sich-ziemlich-im-Niedergang-befindlichen-Foren ja noch geben…)
Placebo-Effekt
Dieser Effekt ist die Basis des medizinischen Vorgehens seit wahrscheinlicherweise zumindest der mittleren Steinzeit, unter der Ägide der ersten (schamanistisch-magischen und tentativen, erfahrungssammelnden) Medizin. Ist seit den ersten Reflexionsansätzen bei Imhotep bis heute abend 21:41 insgesamt hunderttausendfach beschrieben und untersucht worden. Ohne Placebo-Effekt keine Medizin und kein Arzt, sondern nur Ingenieur-Klempnerei.
Verkürzt - basiert er auf:
Zumindest hinreichendem Grundvertrauen in die Hilfe-Strukturen;
starkem oder hinreichendem Vertrauen (oder analogem Vertrauensvorschuß) in den Arzt;
(leidensbedingter) hinreichender Mindest-Regression;
(bisherigen dem allen hinreichend nicht aversive Lebens-Erfahrungen;)
magisch-schamanistischem Rest-Anteil am ärztlichen Wirken überhaupt;
entsprechender hinreichender Arzt-„Ausstrahlung“;
hinreichender spezifischer subjektiver Offenheit des Patienten;
emotionalem Mindestgelingen der fraglichen (konkreten) Patient-Arzt-Begegnung.
Jede Medikation - ausnahmslos - basiert im sinnvollen Fall zunächst auf ihrem Placebo-Effekt.
Die jeweilige spezifische Wirkung kommt noch (im günstigen Fall) dazu.
Nocebo-Effekt
Dieser Effekt ist das süße, niedliche Schwesterchen des Placebo.
Er macht nicht nur gegebenenfalls den gesamten Placebo-Anteil eines Medikamentes zunichte, sondern kann noch weit darüber hinausgehen. Er kann im negativsten Fall sogar über die jeweilige spezifische Wirkung eines Medikamentes nach unten hinausgehen, so daß dann aufgrund des Nocebo die Gesamtbilanz eindeutig negativer als bei völlig ausgebliebener ärztlicher Intervention ausfällt.
Am überaus angenehm Possierlichsten gerät dann die Chose, wenn noch dazu objektive schädliche Medikament-Nebenwirkungen in die Bilanz hinzukommen dürfen. (Es gibt ja prinzipiell immer auch die Möglichkeit objektiver positiver Nebenwirkungen, deswegen ja der Hinweis auf „schädlich“.)
Es gibt - ausnahmslos - kein mögliches ärztliches Handeln auf Erden ohne ein restliches Minimal-Anteil an Nocebo-Effekt. (Das hat sogar mit der „condition humaine“ selber in ihrem Urkern zunächst einmal zu tun, geht also selbst über die Frage der Substanz der ärztlichen Kunst als solchen hinaus…!)
Es geht darum, jenen Nocebo-Anteil so winzig wie möglich zu lassen, ihn nicht auswuchern zu lassen. Alles soll gemieden werden, was ihm im Patienten Nahrung geben kann.
Wenn ohne eindeutigen und hinreichend vernünftigen Grund der Arzt dem Patienten ein Medikament mit schädlichen Nebenwirkungen (welcher Art, welchen möglichen Umfangs, welcher Ursache auch immer!) aufzwingen möchte, dort wo eine andere Intervention - bar von oder ärmer an jenen Neben-Wirkungen - den gewünschten Effekt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auch erreichen würde, begeht er schlichtweg einen Kunstfehler. So einfach ist das. Unabhängig davon, wie selten oder wie häufig, oder warum und wieso oder wo er realiter vorkommen möge. Die analytische Lage als solche bleibt klar.
Dort wo eine fast reine Placebo-Intervention völlig ausreichend für das sinnvoll Erstrebte und Zu-Erstrebende ist, hat in der Konsequenz der Arzt die verdammte Pflicht, es bei einer fast reinen Placebo-Handlung auch zu belassen, ohne aber dabei den Patienten anderweitig (z.B. psychisch; geistig; reifungsmäßig; ideologisch; esoterisch; weltanschauungsmäßig zu SCHÄDIGEN!)
Primum non nocere! Sapperlott nochmal!
Ärztliche Kunst, die Nocebos aufbaut, ist schlichtweg keine ärztliche Kunst.
Ein Großteil (nicht alle!) der Homöopathen baut beim Patienten bombenfeste, hoch-komplexe, überdauernde, umfassende, schreckliche Nocebos auf (…und aus!..); schadet ihm darüber hinaus im variablen Ausmaß in einer oder mehreren der unmittelbar hier oben aufgezählten Kategorien.
Demgegenüber fallen die Scharlatanerie- und Infantilität-Aspekte der reinen Heinemann-Lehre kaum ins Gewicht.
(Ein zusätzliches zentrales Sonderproblem ist dann dabei die eventuelle Vorenthaltung von eigentlich dringendst Notwendigen. Das kommt dann womöglich - und manchmal tatsächlich - noch hinzu.)
abifiz
PS
Errata corrige:
„…ohne einen restlichen Minimal-Anteil…“
Sorry.
Die Zeitschrift Geo behandelt die Fragen der Homöopathie in Ihrer aktuellen Ausgabe 09/2015.
Chapeau!
Der Absatz disqualifiziert irgendwie deine Ausführungen, aber sei’s drum…
So. Und jetzt?
Hast du dir die Antwort damit nicht selbst gegeben?
Ja, der Arzt kann bewußt Placebos geben, wenn er davon ausgeht, daß ein „echtes“ Medikament nicht besser helfen wird. Deiner Meinung nach MUSS er das sogar. Ok, klingt vernünftig!
Aber wie sieht das in der Praxis aus?
Werden dann Phantasiewirkstoffe auf den Packungen angegeben? Und alle Mediziner bewahren Stillschweigen, damit die dummen Patienten auch ja nix spitzkriegen? Funktioniert nicht.
Ärzte entdecken die alte Kunst der rituellen Tänze wieder und umkreisen im Bastrock dumpf singend den aufgebahrten Patienten, während die Sprechstundenhilfen zu wildem Trommeln ihre langen Haare schütteln? Das kauft ihnen in unserer aufgeklärten Gesellschaft kein Mensch ab.
Und Homöopathie? Baut auf einer historischen Geschichte auf, hat etliche Anhänger, genießt teils hohes Vertrauen, ist „in der Mitte der Gesellschaft angekommen“ - und kann Erfolge aufweisen.
Welchen Unterschied macht es jetzt im Hinblick auf die Heilungschancen, ob der sowohl homöopathisch als auch schulmedizinisch behandelnde Arzt eine (im Vergleich immer noch teure) Placebo-Salbe oder 5 Globuli Petroleum D12 gibt, wenn der Patient an beides glaubt?
Der Arzt mag Homöopathie selbst (insgeheim) als Humbug abtun, oder er mag davon überzeugt sein, das ist letztlich egal. Er darf nur eines nicht: Beim Patienten Zweifel an der Wirksamkeit seiner Therapie aufkommen lassen.
Deine aggressive Ablehnung der Homöopathie geht davon aus, daß jeder, der an die Wirkung glaubt, alle anderen Behandlungsformen als schädliches Teufelszeug genauso aggressiv ablehnt (und diese deshalb keine Wirkung mehr haben). Das ist mitnichten so!
Gruß
Michael
feuer frei
Nix da „Feuer frei“,
das sind doch bislang sehr vernünfige Antworten.
Wenn Du zum Arzt gehst ohne krank zu sein, helfen Globuli. Wenn Du krank bist, nicht.
Udo Becker
Hallo!
Mag sein, wobei die Kraft von Placebos nicht unterschätzen sollte. Mit einem „abben Arm“ würde ich aber trotzdem lieber einen richtigen Arzt aufsuchen!
Gruß
Falke
Hallo.
Ein medizinisch nicht vorgebildeter Laie kann aber auch einfach glauben, daß Homöopathie funktioniert. Glaube kann bekanntlich Berge versetzen, und Dummheit hat damit nichts zu tun.
Und nochmal: „Heilen mit nichts“ macht mich persönlich glücklicher als Pharmapillen zu schlucken. Wenn ich deshalb dumm bin - kann ich mit leben
Gruß
Michael
Im Stern gab es dazu vor gar nicht allzu langer Zeit ein Interview mit einer Homöopathie Aussteigerin. Die Dame (Nathalie Grams) hatte selbst eine Praxis, die sie dann aber geschlossen hat, weil sie das Gefühl hatte ihre Patienten zu belügen. Ich fand den Artikel echt spannend - obwohl ich weder Pro- noch Anti-Homöopathie bin. Aber das war mal eine neue Sichtweise…
Hallo Michael,
ich will es nicht Dummheit nennen, aber Uninformiertheit ist es eben doch.
Bei mir haben früher (soifz) homöopathische Tropfen bei Heuschnupfen gewirkt. Dann habe ich mich relativ intensiv mit Homöopathie und ihrer wirklichen und angeblichen Wirkungsweise beschäftigt. Und jetzt funktioniert bei mir weder Kügelchen noch Tropfen. Ach, wenn ich doch noch voll Überzeugung: „Kall, moi Drobbe!“ rufen könnt.
Grüße
Siboniwe
Genau. Du hast recht, und ich meine Ruhe!
Gruß
Michael