Was sagt das eigentlich über eine Gesellschaft aus, wenn

Was sagt das eigentlich über eine Gesellschaft aus, wenn …

… Schüler, z.T. Kinder, a) maßgebliche Akteure des gesellschaftlichen Protests sind und b) dabei -zumindest auf oberflächlicher Ebene- weit offene Türen einlaufen (ParentsForFuture, milde Reaktionen auf den Streik, Nobelpreisvorschlag für G.T. usw.)?

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Mich interessiert bei der Frage also nicht, was das über diese Schüler aussagt, auch nicht, was es über das Klimaproblem aussagt, sondern was es über unsere heutige Gesellschaft aussagt.

Zum Verständnis, wohin die Frage zielt: Dass um 68 die Studenten maßgebliche Akteure waren, hatte mit dem Krieg und deren Vätergeneration zu tun, auch mit den Babyboom-Jahren und anderen Faktoren.
Dass die Arbeiterschaft im 19. Jahrhundert ein maßgeblicher Akteur war, hatten mit dem Manchester-Kapitalismus zu tun.
Usw.
Es ist ja nicht „zufällig“, welche soziale Gruppierung Akteur des Protests wird.
Natürlich sind die FridayForFuture-Schüler noch lange nicht auf die Ebene der damaligen Studentenschaft oder der Arbeiterbewegung zu heben, aber interessant ist es doch, weil so junge Menschen in der Geschichte wohl selten ein solches Standing erreichen konnten - behaupte ich jetzt mal ausm Bauch heraus.

Gruß
F.

Hallo,

Aus meiner Sicht sagt das aus, dass die Schüler doch nicht so dumm sind, wie gerne mal polemisch behauptet wird.

Und es ist ein Zeichen, dass auch sie noch von einer Welle erfasst werden können und sich gegen die Bequemlichkeit der Eltern- und Großelterngeneration auflehnen können.

Grüße
Pierre

Dabei spielen m.E. zwei Faktoren eine Rolle.

Zum einen gab es noch nie zuvor eine Generation von Jugendlichen, die einen so leichten Zugang zu so vielen Informationen hatte. Die heutigen Jugendlichen sind ganz selbstverständlich mit dem Internet aufgewachsen und können oft besser als ihre Eltern und immer besser als ihre Großeltern darin navigieren. Auch ihre Medienkompetenz ist in der Regel größer als die älterer Generationen.

Zum anderen ist aber auch die Generation der Eltern der derzeitigen Jugendlichen anders als andere Elterngenerationen vor ihnen. Große Teile der heutigen Eltern, insbesondere die städtischen und gebildeten Teile, haben mit dem autoritären Erziehungsstil früherer Zeiten gebrochen und ihre Kinder ganz bewusst gleichberechtigt aufgezogen. Sie haben ihre Kinder von Anfang an als kompetente, ernstzunehmende Menschen wahrgenommen und sie beispielsweise nicht mit „Das verstehst du noch nicht, dafür bist du noch zu klein“ abgespeist, sondern ihnen ihre Fragen beantwortet. Auch jetzt nehmen sie ihre Kinder mit ihren Sorgen ernst - wozu mit Sicherheit auch beiträgt, dass ja auch die heutige Elterngeneration diese Sorgen unterschwellig teilt, da sie während ihrer eigenen Lebenszeit bereits deutliche Veränderungen miterleben konnte (und in der eigenen Jugend vielleicht schon gegen Atomkraft etc. demonstriert hat).

Das aagt, dass die Presse einen guten Job macht.
Von den seit Monaten andauernden Gelbwesten-Protesten in Frankreich wird fast nichts berichtet, ausser wenn mal was kaputt geht, während man von den protestierenden Schülern überall hört.
Und wie du schon sagst, es werden öffene Türen eingelaufen; das bei der Jugend naturgemäß mehr als bei älteren Menschen vorhandene Protestpotential also in harmlose Bahnen gelenkt. Wenn du das jetzt schon mit den Protesten im frühen England und der 68er Bewegung vergleichst, haben wir wohl tatsächlich ein Wohlstandsproblem. Auch wenn für die Umwelt tatsächlich mehr getan werden muss.
Ältere Menschen protestieren höchstens, wenn die Rente gekürzt oder das Rentenalter erhöhrt wird.
Und jetzt können wieder einige was von Aluhut erzählen :slight_smile:

Da bin ich immer ambivalent, wenn ich das sehe, denn ich sehe auch, wie viel Hoffnung auf denen lastet, derer, die sich zwar unwohl fühlen und denen theoretisch auch die Dringlichkeit des Themas klar ist, die aber auch längst so resigniert sind, weil sie sehen, wie überhaupt nicht sich die Entscheidungsträger zu bewegen willens scheinen.
Und jetzt sollen´s die Jungen richten…

Äääääh - doch.

Oder wenn sie meinen, wegen der bösen Muslime montags im Kreis laufen zu müssen.

Nur, dass diese Gesellschaft satt des Brotes ist, aber umso mehr nach „Spielen“ dürstet … :triumph:

Fatal, fatal … Glückauf!

Das ist halt die (schwierige) Frage, die ich bei Punkt b) anspreche: ob es sich tatsächlich um „Auflehnung“ handelt.
Vermutlich wird der Begriff „Schul streik“ oder auch der Freitag (statt außerhalb der Unterrichtszeiten) tatsächlich gebraucht, um dem wenigstens den Anschein von „Auflehnung“ geben zu können.

Ich glaube, dass dieses „fürs Klima demonstrieren“ (völlig unabhängig davon wie berechtigt und notwendig das ist, und wie schlau oder wie dumm diese Kinder/Jugendlichen sind; darum gehts mir bei dieser Frage ja nicht) im Gegenteil eine deutliche Form „moralischer Angepasstheit“ ist.

Ein Schulstreik mit dem alten Markus-Motto aus den 80er Jahren „scheiß aufs Klima, ich geb Gas, ich will Spaß!“ (damit hat er ja auch damaliges Lebensgefühl von Jugendlichen getroffen, wenn auch nicht das einzig vorherrschende) würde ich gefühlsmäßig viel eher als jugendliche „Auflehnung“ verstehen, auch wenn zugegebenermaßen auch damit einem (anderen) Teil der Bevölkerung aus der Seele gesprochen wird.

Gruß
F.

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Das ist richtig.
V.a. zu nicht-durch-Autoritäten-wie-Lehrer-vorgekauten Informationen.
Mit allen Vor- und Nachteilen.

Das ist aus meiner Sicht ein ganz entscheidender Punkt bei dieser Fragestellung.

Darum glaube ich, bezugnehmend auf meine Antwort an Pierre, dass es sich eben tendentiell nicht um „Auflehnung“ handelt. Gegen welche autoritären Figuren denn? Denn auch die Schule und die Lehrer sind heute ja deutlich weniger autoritär als noch in unserer Kindheit (in meiner zumindest, ich weiß ja nicht, wie es bei dir war).

Sehe ich auch so.
Ein Teil der Eltern und Lehrer sicher nicht nur unterschwellig, und ein weiterer Teil, der es „oberschwellig“ nicht teilt, teilt es unterschwellig.

Kann man sagen, dass man den Freitags-Jugendlichen und -Kinder hier gesellschaftlich so etwas wie eine ziemlich starke Sprachrohr-Funktion überträgt? Einer, das ist nicht polemisch gemeint, sondern analytisch-zugespitzt, „Erlöser-Figur Greta“ sogar eine Art Hofnarren-Funktion?
Eine Sprachrohr-Funktion hatten die 68er-Studenten ja auch, aber zu einem deutlich geringeren Teil aus meiner Sicht, die Arbeiterschaft des 19. Jhdts. hatte kaum Sprachrohr-Funktion.
(Nur, um das hier einzuordnen, nicht um die drei Gruppierungen als solche zu vergleichen.)

Gruß
F.

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Ja, schon.
Aber die Presse ist ja keine extraterrestrische Macht, sondern ein Spiegel der Gesellschaft, wenn kein völlig abbildgetreuer.

Ich vergleich die Gruppierungen ja nicht selbst, auch nicht das Ausmaß an Protest.
Aber an diesen drei qualitativ unterschiedlichen Protestgruppierungen lässt sich halt ein Kontinuum aufmachen, in dem meine Fragestellung diskutierbarer wird als so völlig luftleer und abstrakt.

An den Punkt hab ich noch nicht gar nicht gedacht, aber der ist natürlich auch bedenkenswert.
Man kann jedenfalls festhalten, dass unter „(gruppen)egoistischer Flagge“ (bessere Klimapolitik für unsere Zukunft; teilweise deutlich aggressive Parolen) für ein extrem un-egoistisches (es gibt ja kaum was, das weniger „alle“ betrifft als das Klima) Thema protestiert wird.
M.E. auch ein interessantes Spannungsverhältnis.

Gruß
F.

kannichsonstschonwiedernichtabschicken

So sehe ich das auch (siehe meine breitere Antwort an KKK).

Gruß
F.

Was meinst du konkret damit?

Dass unsere Gesellschaft insgesamt extrem satt ist (weil materiell zugeschissen bis obenhin) und zugleich extrem dürstet (z.B. nach Formen von Lust und Anerkennung), sehe ich auch so.
Da diese Jugendlichen/Kinder-Generation die materiell zugeschissenste (und m.E. zugleich lust- und anerkennungsbedrüftigste) aller Zeiten ist, sind die vielleicht genau die richtigen Stellvertreter der deutschen Gegenwartsgesellschaft.

Da schickt die Gesellschaft quasi ihren Spiegel auf die Straße.
Das unterscheidet sich klar von den beiden im UP zur Kontrastierung genannten Protestgruppen.

Gruß
F

Das ist nicht wahr, dass die Älteren nur für die Rente demonstrieren.

Als vor 8 Jahren die Demonstrationen gegen Atomkraft waren (ausgelöst durch die Katastrophe in Fukushima), waren es eher die älteren, die ich da auf der Straße gesehen habe.

Auch scheint mir bei den Pegida-demos der Altersdurchschnitt recht hoch zu sein.

Die jetzigen Rentner haben in ihrer Jugend Demos erlebt - als Beteiligte oder Zuschauer, die sind ebenso anders als die etablierten, älteren Menschen es 1968 waren, durch ihre andere Geschichte.

Grüße

Siboniwe

Du wirst auch mal dazu gehören, Pfui Deibel! Aber von Dir ist man ja seit 2015 nichts Besseres mehr gewöhnt und ich hoffe, Du erlebst es noch was Deinen Enkeln und Urenkeln durch Merkels totale Grenzöffnung, egal aob Muslim oder Nichtmuslim, irgendwann erleben müssen. ramses90

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Genau so! … :relieved: :ok_hand:

Es sagt aus, dass das Bildungsniveau gesunken ist denn wieso sonst würden die Schüler für eine Verringerung des CO2-Ausstoßes protestieren obwohl dies erstens unrealistisch ist und es zweites realistische Möglichkeiten zur Verringerung der globalen Erwärmung gibt (Schlagwort Geo Engineering - was ich aber nicht weiter ausführen werde da jeder selbst eine Suchmaschine bedienen kann).

Gruß
Desperado

Grundsätzlich sagt es über eine Gesellschaft nichts Gutes aus, wenn Kinder politisch instrumentalisiert werden. Als jemand, der die ersten 23 Jahre seines Lebens in einer Diktatur verbracht und mit staatlich gelenkten Jugendbewegungen hinreichend Erfahrung hat, sehe ich diese „Protestbewegung“ mit gewissem Unbehagen. Sicher, abgesehen vom niedrigschwelligem intellektuellen Anspruch (Wer nicht hüpft, ist für die Kohle) , ist diese Bewegung harmlos. Aber die Teilnehmer können am Eventcharakter und am Wir-Gefühl durchaus Gefallen finden und sich bereitwillig auch für andere Anliegen mobilisieren lassen. Wohin sowas im Extremfall führt, hat man bei den „Roten Garden“ in China gesehen.

Bei allem Respekt vor deiner Antwort, aber der (arg pauschalisierende) Zusammenhang zum Bildungsniveau erscheint mir sehr polemischer Natur zu sein.
A) haben wir bereits faktisch einen deutlichen Rückgang der CO2-Emissionen in der EU seit 25 Jahren und b) schließt die Forderung der FridayForFuture-Demonstranten nach besserer Klimapolitik doch eine stärkere Förderung des Carbon Engineerings fraglos mit ein.

Allerdings ist es tatsächlich eine interessante Frage, weshalb in der Berichterstattung und wohl auch in den Köpfen der meisten Protestierenden die Lösung „Verzicht“ viel stärker präsent ist als die Lösung „Gestaltung“ (geo engineering).

Das mag Sachgründe haben (wie die, dass gute technische Möglichkeiten zur CO2-Extraktion nicht allzu schnell einsatzbereit sein werden), mag m.E. aber auch ein Ausdruck der allgemeinen neopuritanischen Abstinenzhaltung unserer Zeit sein. Verzicht wird heute ja auf allen möglichen Gebieten ständig gefordert und eingefordert.

Gruß
F.

Yepp, das ist sicherlich ein sehr wichtiger Punkt, den du vorbringst.
Hatte ich bisher auch nicht so auf dem Schirm.
Gerade in Zusammenhang dessen, dass ich hier gerade keine Protesthaltung oder Auflehnung sehe, sondern ein ganz starkes „Mitmachen“, ist der Aspekt interessant.

Man kann es aber sicher nicht unmittelbar als „Instrumentalisierung“ sehen.
(Ich habe den vorsichtigeren Begriff „Sprachrohr-Funktion“ vorgeschlagen.)
Sicherlich werden einige Schüler auch von ihren Lehrern direkt instrumentalisiert (z.B. meine 12-jährige Tochter, die von ihrer Lehrerin zur Teilnahme an der lokalen Freitagsdemo aufgefordert wurde), aber von einer gelenkten politischen Instrumentalisierung ist das noch ganz weit weg.

Klar ist aber auch, dass die Funktion der Institution Schule in allen Staatsformen nicht nur die Unterweisung in Wissensgebieten und die Erziehung zu Disziplin und Arbeitsfähigkeit ist, sondern immer auch die Einübung in die herrschenden gesellschaftlichen Ideologien.
Der euro-marxistische Philosoph Althusser hat damals in einem sehr berühmten Aufsatz die Schule den „ideologischen Staatsapparat No.1“ genannt.
Dass dieses Einüben in die herrschenden Ideologien in „demokratischen Staaten“ nicht so zentral gelenkt und zielgerichtet gemacht wird, sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass es gemacht wird.

Gruß
F.

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Hi,

Politik, Firmen… die Eltern verbieten einem ja nicht, sich um die Umwelt Gedanken zu machen, da muss man sich nicht auflehnen oder berschweren. Aebr sie kriegen sehr wohl mit, was es oft für schöne Worte für den Klimaschutz gibt, und wie wenig dann rauskommt.

die Franzi

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