Gotthard Günther
Hallo Frank,
"Neben den Nachlässen G.W.F. Hegels und J.G. Fichtes zählt der
Nachlaß Gotthard Günthers (1900 - 1984) zu den drei
bedeutendsten philosophischen Nachlässen der
Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin.
usw.
dass der Nachlass bedeutend ist, heißt nicht, dass das Werk bedeutend ist. Dass Bibliothekare dazu neigen, ihre Bestände für bedeutend zu erklären, dürfte auch klar sein.
Das ist sehr klarer dialektischer Idealismus, der dessen
Benden hin zum dialektischen Materialismus erkennt. Damit hast
du dich nun wirklich als doggdor disqualifiziert.
Na fein, und du hast dich jetzt qualifiziert, oder was? Es fällt auf, dass du meine Widerlegung des von dir vorgelegten Textes überhaupt nicht zur Kenntnis nimmst, sondern einfach auf die Autorität (auf die man schon im Mittelalter sein Urteil aufbaute) dein Urteil postulierst. Dass es sich um das Urteil einer bibliographischen Einrichtung handelt, macht die Sache nicht gerade besser.
Dass dieser Mann in eine Reihe mit historischen Figuren wie Fichte und Hegel gestellt wird, halte ich für sehr merkwürdig. Das dürfte schon mangels zeitlichem Abstand problematisch ist und zumindest einer gesonderten Begründung bedürften. Im Fall Heidegger ist das z. B. offensichtlich, weil dessen Wirkung schon heute so groß ist, dass sie nicht übersehen werden kann, egal wie man ihn inhaltlich beurteilt.
Ein Symposion über diesen „bedeutenden“ Menschen wurde vor vier Jahren übrigens mit den folgenden Worten abgesagt:
„Wir wollten vom 14.9. bis 4.10. ein Günther-Symposium via Internet abhalten. Leider werden wir diese Veranstaltung nicht in gewünschten Form durchführen können. Dies hat folgenden simplen Grund: Das Teilnahmeinteresse ist zu gering.“
Über die Stellung Günthers als Science-Fiction-Denker (eine Userpage der FU stellt das als seine bedeutende Leistung dar:
http://userpage.fu-berlin.de/~gerbrehm/GG_Seite.htm#bi )
will ich hier nicht urteilen. Allerdings hatte ich bei der Lektüre solcher merkwürdigen Texte, wie den, den du hier gepostet hast, nicht unbedingt den Eindruck, dass die Lektüre von Günther zu den dringenden Notwendigkeiten der Zeit gehört.
Soweit ich sehe, hat sein Arbeitsgebiet mehrere Teile umfasst (http://guenther.uni-klu.ac.at/ ):
Von seiner Kybernetik wird behauptet, dass Teile des Nachlasses darlegen, dass sein Logikverständnis eher von Kant als von Hegel geprägt ist. Das scheint interessant zu sein, weil die beiden Konzepte von Kant und Hegel doch sehr weit auseinanderliegen und es merkwürdig ist, wenn nur der eine Teil in der Rezeption wahrgenommen wird. Dass er die zweiwertige Logik für überwindungsreif hält, klingt etwas merkwürdig, den mehrwertige Logiken gibt es schon seit etwa zwei Jahrhunderten, Ansätze sogar bei Leibniz.
Dann ist von einem „Entwurf zu einer Geschichtsmetaphysik der westlichen Welt“, in dem die USA mit der Apokalypse in Verbindung gebracht wird. Das ist auch nicht uninteressant, obwohl ich solche Untersuchungen immer etwas überspitzt finde, weil sie mit globalen Vorwürfen zu arbeiten pflegen (Verschwörungstheorien etc., eine interessante Ausnahme aber sehe ich z. B. in Chomsky), selten aber en detail. Das wäre zu prüfen, wenn man einmal Zeit dafür findet.
Der dritte Bereich ist die Science Fiction, zu der er eine ähnliche Stellung einzunehmen scheint, wie Drewermann zu den Märchen. Möglichkeiten werden durchgespielt, Unmöglichkeiten verworfen. Auch nicht uninteressant.
Die biographische Skizze von Schelsky von 1970 scheint mir anzudeuten, dass er mehr oder weniger von der Philosophie bei Spranger in Berlin zur Naturwissenschaft in Leipzig gewechselt hat. Schelsky stellt einen Bezug zu Weizsäcker her, was mir nicht einleuchtet, denn der war zu diesem Zeitpunkt noch Student (außerdem bezeichnet er ihn als „Mathematiker“, was völlig absurd erscheint), und Heisenberg ist als Naturwissenschaftler und eben auch nicht gerade als Philosoph bedeutend.
Da ich Schelsky im Gegensatz zu Weizsäcker aber eigentlich schätze, werde ich diese Darstellung zum Anlass nehmen, mir mal das eine oder andere von Günther zu Gemüte zu führen, wenn ich Zeit und Lust habe. Allerdings habe ich nicht den Eindruck, dass sein Einfluss sonderlich groß war. Er scheint mir jemand zu sein, der von Liebhabern jetzt gerade wiederentdeckt wird, wie das häufig geschieht, und dann wieder in der Versenkung verschwindet, wie ja das genannte gescheiterte Symposium von 2000 zumindest nahelegt. Aber das wird man sehen. Vielleicht ist ja der eine oder andere Aspekt seines Denkens ganz aufschlussreich. Ihn in die Reihe großer Denker einzureihen, scheint mir aber völlig überzogen.
die Grundfunktion der Dialektik sollte man kennen.
Ja, das wünscht ich dir auch. 
Herzliche Grüße
Thomas Miller