Hallo!
Nun kann man bei einem Kind Gefühle spüren
Oder man glaubt, Gefühle zu spüren, die da gar nicht. Weil man nämlich auch als Mutter ein normales menschliches Wesen mit ganz alltäglichen Problemen, Sorgen, Projektionen, Vorurteilen ist. Dieser Eigenanteil verfälscht JEDE menschliche Wahrnehmung. Auch bei der perfektesten Mutter. Das ist übrigens psychologisches Grundwissen.
Deshalb sollte man vorsichtig damit sein, bei anderen Menschen Gefühle „spüren“ zu wollen. Klar, wenn jemand in Tränen aufgelöst oder vor Wut brüllend vor mir steht, dann ist es nicht schwer, sein Gefühl richtig zu deuten. Aber davon war in der Ausgangsituation nicht die Rede. Eher ging es ja darum, die Gefühle des Kindes erst herauszufinden - und das ist eine andere Situation.
Und ein Kind kann aber auch, wenn das Verhältnis zur
Mutter in Ordnung ist, ohne Probleme „nein“ sagen. Warum auch
nicht?
Damit widersprichst Du dir selbst. Die Mutter „spürt“ doch das richtige Gefühl, also muß das Kind gar nicht „nein“ sagen, denn die Mutter liegt ja garantiert richtig. Oder doch nicht? Aber wenn sie nicht richtig liegt - kann es da nicht sein, daß sie völlig danebentippt und sich das Kind ganz und gar nicht verstanden fühlt, weil es z.B. gar nicht wütend, sondern traurig war?
Jetzt wirst Du sicher antworten: „Die Beziehung zwischen Mutter und Kind ist so vertrauensvokll, daß das Kind ohne Probleme sagen kann, daß seine Mutter sich irrt.“ Interessanterweise hast Du aber selbst geschrieben, daß es für ein Kind schwierig sein kann, seine Gefühle zu formulieren - wieso sollte das auf einmal einfacher werden im Widerspruch zur Mutter?
Man kann hier grundsätzlich zwei verschiedene Situationen unterscheiden, nämlich eine therapeutische und eine diagnostische:
Wenn jemand heulend vor mir steht, muss ich ihn nicht fragen, ob er traurig ist - ich nehme ihn in den Arm und tröste ihn. Das ist eine therapeutische Situation. Und da kann ich auch sagen: „Du bist sicher extrem traurig …“
Wenn ich aber wissen will, wie sich jemand fühlt (bzw. gefühlt hat), dann sollte ich kein Gefühl vorgeben. Das ist eine diagnostische Situation. Und da wäre die Aussage „Du bist sicher extrem traurig …“ extrem manipulativ.
Klar: Perfekte, ideale Mütter irren sich niemals und wissen immer ganz genau, wie es ihren Kindern geht.
Die Gefahr besteht aber darin, daß man nicht ganz so perfekt ist und sich möglicherweise öfter mal irrt, wenn man glaubt, ein Gefühl zu „spüren“. Und dann?
Es ist eine Form von Anmaßung, zu glauben, immer ganz genau „spüren“ zu können, wie es dem Kind geht. Und darin steckt auch eine Form von mütterlicher Dominanz - „Kind, Deine Mutter weiß besser als Du, was für Dich gut ist!“ Auch dafür wirst Du in der psychologischen Fachliteratur genügend Belege finden.
Selbst gute Eltern in guten Familien dürften selten so makellos sein, wie es Deine Theorie erfordert. Einfach deshalb, weil sie auch bloß Menschen sind.
Es ist einfühlsam. Es ist kindgerecht. Kinder sind keine
kleinen Erwachsenen.
Ja und nein. Kinder sind aber auch keine völlig andere Spezies. Man muß Kinder nicht völlig anders behandeln wie normale Menschen. 
aber nehmen wir folgende Situation…
Kind kommt heim (sauer), erzählt „der blöde xy hat mir heut
mein Spielzeugauto weggenommen“
Mutter sagt „na, da warst du bestimmt sauer.“
- Ist das eine therapeutische Situation oder diagnostishe Situation?
- Wie eindeutig ist das Gefühl in dieser Situation? Und wie eindeutig ist das Gefühl in der Situation, die im Ausgangsposting beschrieben wird?
- Wie stark ist die Mutter in dieser Situation emotional involviert? Und wie stark ist die Mutter emotional involviert in der Situation, die im Ausgangsposting beschrieben wird? (Davon hängt unter anderem auch der Wahrnehmungsfehler ab.)
- Wie emotional belastend ist die Situation für das Kind? Und wie emotional belastend ist die Situation, die im Ausgangsposting beschrieben wird? (Davon hängt zum Beispiel auch ab, wie leicht es für das Kind ist, ehrlich zu antworten.)
- Welcher mögliche Schaden kann ein Fehlverhalten der Mutter anrichten?
Das wären die Fragen, mit denen ich an die Situation herangehen würde. Und von den Antworten würde abhängen, welches Verhalten ich empfehlen würde. Manchmal kann auch eine Suggestivfrage nützlich sein - aber nicht in der Diagnose.
Zum Abschluß - lies einfach mal den Wikipedia-Text zu Suggestivfragen. Die von Dir empfohlene Frage wird dort unter „stark suggestive Frageformen“ aufgeführt. Gut, Wikipedia ist nicht alles - aber es ist auch nicht alles Mist dort:
http://de.wikipedia.org/wiki/Suggestivfrage
Es schadet nicht, sich psychologisches Grundwissen anzueignen. Wer immer nur auf seinem Standpunkt stehen bleibt und nicht auch mal von Fachleuten etwas annehmen möchte, kann sich nicht weiter entwickeln. 
Liebe Grüße,
Max