Hallo Dusan,
Ich bin aber z.B. nicht nur ungefragt getauft, sondern darüber
hinaus im Alter von acht oder neun Jahren auch noch gegen
meinen expliziten Willen dazu genötigt worden, an einem
symbolisch-kannibalistischen Ritual (genannt „Erstkommunion“)
aktiv teilzunehmen, obwohl ich mich selbst nie zum Christentum
bekannt habe. Das war eine Vergewaltigung!
Es würde mich interessieren, ob die treibende Kraft dahinter
die Mutter oder der Vater war. Und wie sich das andere
Elternteil dazu geäußert bzw. verhalten hat.
Ich vermute eher meine Mutter und ihre Rücksicht auf ihre frommen Eltern dahinter. Meine Eltern haben aber in vorbildlicher Weise uns Kindern gegenüber immer mit einer Stimme gesprochen.
Meine Mutter ging zu der Zeit, als meine Erstkommunion anstand, noch äußerst selten in die Kirche, jetzt geht sie jeden Sonntag.
Mein Vater ist allenfalls zu solchen Familienfeiern wie Taufe, Hochzeit oder Erstkommunion und an Weihnachten mal mitgegangen und macht sich selbst nicht mehr viel aus praktiziertem Katholizismus.
Eigentlich wollte er ja selbst mal Priester werden, was seine Mutter (meine Großmutter) aber schon während seiner Pubertät unterbunden hatte, als sie dahinterkam, dass er einem Priester Liebesbriefe schrieb. Dazu hatte sie wohl mit §175 gedroht, der zu Adenauers Zeit ja noch in seiner unter den Nazis verschärften Form galt.
Meine jetzt 100-jährige Großmutter väterlicherseits, die selbst streng katholisch erzogen worden war, geht seitdem ebenfalls nur zu Familienfeiern in die Kirche, um den schönen Schein zu wahren, hat mit katholischen Glaubensinhalten aber nichts am Hut. Mein Großvater väterlicherseits verstarb schon wenige Monate nach meiner Geburt, war aber -so wie ich- immer „Freidenker;rdquo;, wie meine Großmutter es nennt.
Das Verhältnis zu meinem Vater war nach meinem Coming Out als Schwuler ziemlich angespannt. Er erteilte mir sogar Hausverbot, als ich mich weigerte seinem, die eigene Persönlichkeit verleugnenden Modell zu folgen und -so wie er- „Hetero zu werden”.
Das Hausverbot bestand tatächlich ein Jahr lang nach meinem Coming Out und löste sich nach zwei Jahren in Luft auf, als ich nach zwei Auslandssemestern aus Amerika zurückkehrte. Während meines USA-Aufenthalts war ich ja auch schon wieder offiziell bei meinen Eltern gemeldet, denn ansonsten wäre das Kindergeld für mich verfallen.
Zu meinen beiden Eltern finde ich immer nur schwer Zugang, aber ich glaube fast, das ist gar nicht so ungewöhnlich und geht auch Heterosexuellen mit ihren Eltern häufig so.
Meine zwei Jahre jüngere Schwester wollten unsere Eltern z.B. noch lange dazu drängen, eine völlig zerrüttete Ehe um jeden Preis weiterzuführen; – auch kein Wunder, wenn man an deren eigenes Lebensmodell denkt.
Was die Nicht-Einmischung in kindliche Sexualität angeht, war meine Mutter aber vorbildlich und ging diskret darüber hinweg, wenn sie mitbekam dass ihre Kinder mit anderen Doktor spielten. Die Mutter eines Nachbarmädchens wollte da hingegen einmal einen Riesenskandal draus machen. Meine Mutter schirmte meine betroffene Schwester aber davor ab.
Ich bin meinen Eltern nicht böse, eigntlich haben sie ja einen guten Job gemacht. Hätten sie sich nicht beide selbst verlugnet, gäbe es mich und meine zwei Schwestern ja wohl auch gar nicht auf dieser Welt.
Wir sind zwar alle getauft und auch zur Kommunion gegangen (worden), gefirmt ist aber keine® von uns und als Christ empfindet sich auch niemand von uns Geschwistern.
Meine kleine Schwester (acht Jahre jünger) hat nicht kirchlich geheiratet und ihre Kinder auch nicht taufen lassen, meine mittlere Schwester hingegen schon. Paradoxe Begündung: „Dann können die später mal selbst entscheiden”. Als ob sie das ohne Taufe nicht könnten!
Durch meine emanzipierte kleine Schwester hat mein altmodisch-konservativer Vater nun sogar auch zwei Stammhalterinnen mit unserem Familiennamen, was sehr wichtig für ihn ist, nachdem ich da ja ausfalle!
In unserer Familie geht ja in Abwandlung einer Redensart der Spruch: „Back schlägt sich, Back verträgt sich”
http://www.redensarten-index.de/suche.php?suchbegrif…
Darauf bin ich auch stolz!
Gruß Gernot