Unterhaltspflichtig für die Eltern

Immer wieder stellt sich die Frage, was die Erwachsenen Kinder bezahlen müssen, wenn ihre Eltern verarmen oder zum (kostenintensiven) Pflegefall werden? Auch wenn z.B. ein 40-jähriger Elternteil die früher so genannte „Sozialhilfe“ benötigt, können und dürfen die Sozialbehörden auf das Einkommen der Erwachsenen Kinder zurückgreifen.

Als Gerücht geistert durch die Gegend, dass die Kinder dann ihr Häuschen verkaufen müssen, um den Heimaufenthalt der Eltern zu finanzieren. Diese und ähnliche Gerüchte werden oft dadurch bestärkt, dass sich im Umkreis Leute von den Sozialbehörden „ins Bockshorn haben jagen lassen“ und mehr bezahlen als der Gesetzgeber und/oder die höchstrichterliche Rechtsprechung verlangt.

In Deutschland kennt man mehrere Arten der Unterhaltspflicht. Allgemein bekannt sind der Unterhalt für Kinder und der Unterhalt für geschiedene Ehepartner. Das Unterhaltsrecht ist aber differenzierter. Es gibt eine regelrechte Prioritätenliste für die verschiedenen Unterhaltspflichten.

Dabei hat der Unterhaltspflichtige aber noch eigene Rechte. Ihm muss auch etwas zum Leben übrig bleiben. Das nennt sich dann juristisch Selbstbehalt. Dieser Selbstbehalt ist bei Elternunterhalt 1.400 Euro im Monat und die Hälfte von dem was darüber hinaus geht.

Beispiel: Kind verdient 2.000 Euro
Dann darf es, wenn es zum Elternunterhalt herangezogen wird, 1.400 Euro und die Hälfte der 600 Euro - also 1.700 Euro für sich als Selbstbehalt behalten. Für die Eltern muss es dann 300 Euro bezahlen.

Das bezieht sich auf ein Erwachsenes Kind, das den Selbstbehalt nur für sich benötigt und keine weiteren vorrangigen Unterhaltspflichten hat. Hat das Kind mit den 2.000 Euro monatlich anrechenbarem Nettoeinkommen, noch eine Ehefrau ohne Einkommen, dann muss das Kind diese vor den Eltern unterhalten. Leben minderjährige Kinder und privilegierte Kinder in seinem Haushalt (oder ist er für sie nach Trennung/Scheidung unterhaltspflichtig) bekommen diese (sogar noch vor der Ehefrau) das Geld, das über dem
Selbstbehalt des Unterhaltszahlers liegt.

Die Selbstbehaltssätze, auch für den Elternunterhalt, und auch den jeweiligen Bedarf für die Ehefrau und Kinder findet man in der (aus dem Kindesunterhalt bekannten) Düsseldorfer Tabelle. Sie werden von Zeit zu Zeit angepasst. Die hier genannten Selbstbehaltssätze beziehen sich auf den Zeitraum ab dem 01.01.2008.

Gerne rechnen die Sozialbehörden bei der Festlegung der Unterhaltspflicht gegenüber den Eltern mit fiktiven Zahlen. Beispiel: Tochter ist Hausfrau und betreut keine Kinder, dann wird gerne gerechnet, dass sie ja einen Teilzeitjob ausüben könnte, damit sie den Elternunterhalt bezahlen kann. Wichtig: Gegenüber Eltern gibt es keine gesteigerte Erwerbsobliegenheit - bedeutet, es kann nicht fiktiv gerechnet werden bzw. sie kann nicht gezwungen werden eine Berufstätigkeit auszuüben.

Weiterhin beachten: Bevor die obenstehenden Selbstbehaltssummen zum Tragen kommen, darf man bestimmte Sachen abziehen. Beispielsweise Arbeitskosten, Raten für ein angemessenes Eigenheim, eigene Altersvorsorge usw. Was man genau (z. B. wie viel km-Geld zur Arbeitsaufnahme) abziehen darf, kann man wieder in der Düsseldorfer Tabelle und in den Leitlinien des für den Unterhaltspflichtigen zuständigen Oberlandesgerichtes nachlesen. Die Leitlinien werden von den verschiedenen OLG’s unter verschiedenen Namen veröffentlicht: Unterhaltsrechtliche Leitlinien, Unterhaltsleitlinien oder ähnlichen Bezeichnungen.

Es gibt eine höchstrichterliche Rechtsprechung, die Kindern erlaubt, dass sie bei Elternunterhalt weiter ihr bisheriges Leben führen können, wie vor der Unterhaltspflicht. Also wenn man z.B. schon lange als Hobby Fallschirm-springen hat (was vermutlich reichlich kostenintensiv ist), darf man das weiterführen - also erhöht sich unter Umständen der Selbstbehalt. Auch die Raten für ein angeschafftes Auto darf man weiter abbezahlen.

Sozialbehörden sehen das gerne enger als die Gerichte, die Gerichte sind es aber die, das Sagen haben und hier ganz besonders der Bundesgerichtshof (BGH) und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG).

Oft geistert auch als Gerücht durch die Lande, dass z.B. der Ehemann einer nicht berufstätigen Tochter Unterhalt für deren Eltern bezahlen muss. Das wäre die sogenannte „Schwiegersohnhaftung“, die nach Ansicht des BGH keinen Elternunterhalt für die Schwiegereltern zahlen müssen.

Hat sie eigenes Einkommen und der Mann soviel Einkommen, dass sie von ihm unterhalten werden kann, dann muss sie ihr eigenes Einkommen (teilweise?) für den Elternunterhalt verwenden (was indirekt doch eine gefühlte Schwiegersohnhaftung ist).

Hierzu http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprec…

und

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprec…

Interessant könnten auch nachfolgende Urteile sein:

http://www.anwalt.de/rechtstipps/elternunterhalt-wer…

Elternunterhalt: Wert der selbst genutzten Immobilie des Unterhaltspflichtigen bleibt unberücksichtigt

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprec…

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprec…

http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteil…

Die Rechtsprechung zum Elternunterhalt ist relativ umfassend ausgeurteilt. Es gibt hierzu noch viele weitere Urteile und es wird in Zukunft noch einige geben. Die Urteile lassen sich einfach unter

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprec…

finden: dort dann den Suchbegriff Elternunterhalt eingeben.

Oft gibt es mehrere erwachsene Kinder mit unterschiedlich hohem Einkommen, die für unterhaltsberechtigte Eltern aufkommen müssen bzw. aufkommen müssten, falls sie leistungsfähig sind. Hier werden, wie oben dargestellt, bei jedem Kind vorrangige Unterhaltspflichten und der Selbstbehalt ermittelt. Dann wird der Unterhaltsbedarf der Eltern auf das zur Verfügung stehende Einkommen des jeweiligen Kindes gequotet.