Hallo Lulea,
das was du erlebt hast, würde ich dem Beginn der Willensbildung zuordnen. Ein Kind braucht dabei kein Vorbild, um zu schlagen, zu beißen oder zu kneifen. Die körperliche Aktion ist eher Ausdruck eines sehr starken inneren Drangs, der aus dem Gefühl von Frustration entsteht, wenn das Kind etwas anderes möchte als du. Ansatzweise kennen wir das auch noch als Erwachsene, wenn uns große Wut dazu bringt, mit dem Fuß aufzustampfen oder irgendwo gegenzuschlagen. Wir haben allerdings (meistens) gelernt, diese Energie zu kontrollieren.
Ich vermute, dass du sowas in abgeschwächter Form schon beim Wickeln oder Füttern erlebt hast: Kinder strampeln stark abwehrend, wenn sie nicht gewickelt werden wollen oder schlagen den Löffel weg. Meist empfinden die Eltern das aber nicht so bedeutsam, weil es nicht offensichtlich gegen sie gerichtet ist.
Das ist das Schlagen aber auch nicht. Ein Kind in diesem Alter ist kognitiv noch nicht in der Lage, eine solche Aktion zu überblicken. Es „explodiert“ quasi in seiner Wut und agiert - aber ohne dabei zu beabsichtigen, dir wehzutun.
Hier beginnt aber nun der Lernprozess: Anhand deiner Reaktion begreift das Kind, dass dir nicht behagt, was es getan hat, wobei es noch nicht erkennen, geschweige denn unterscheiden kann, was der Grund dafür ist (Schmerz, Schreck…). Deine Reaktion hilft deinem Kind aber in der Zukunft, zu erkennen, dass andere Menschen manches nicht mögen, was es selbst tut. Es wird noch viele Jahre brauchen, bis es in vollem Umfang dazu fähig ist, sich in andere Menschen hineinzudenken.
Das, was du gemacht hast, war in meinen Augen völlig richtig: Du hast „Nein“ gesagt und durch Mimik und Tonfall signalisiert, dass das für dich etwas Ernstes ist. Was es bedeutet, muss dein Kind allerdings noch lernen. Das Festhalten der Hände war vielleicht sogar überflüssig, aber sicher auch nicht „schädlich“.
Es kann eine ganze Weile dauern, bis dein Kind begreift, dass du nicht möchtest, dass es das tut, was es tut. Dass es sich um Schlagen handelt, weiß es nicht. In solchen Lernphasen kommt es vor, dass das Kind lächelnd immer und immer wieder „zuschlägt“, während die Mutter immer wieder ernst „Nein“ sagt. Das ist keine Veralberung der Mutter, sondern ein Lernprozess, der so funktioniert, wie alles in diesem Alter: Durch Ausprobieren.
So wie ein Kind 100 mal einen Gegenstand vom Tisch werfen kann, sobald die Mutter ihn wieder aufgehoben hat und dabei lernt, wie Schwerkraft funktioniert (alles fällt immer wieder auf den Boden und nicht etwa zur Decke), so probiert es aus, wie die Reaktion auf ein neues Verhalten (das oft zufällig entstanden ist) aussieht. Hier ist die Kunst, ruhig und gelassen zu bleiben und immer wieder ernst (nicht böse) „Nein“ zu sagen.
Und nein, einen Schläger erziehst du auf diese Weise nicht, nur ein gesundes Kind, das sich gerade wieder ein Stückchen entwickelt.
Schöne Grüße,
Jule