Kurze Geschichte der Hölle

Dieser Artikel wurde von @Metapher verfasst.

Die Grundlage für spätere Höllenvorstellungen liegt bereits in Schöpfungsmythen, die in allen Überlieferungen bestimmte immer gleiche Grundelemente enthalten. [dazu in einem späteren FAQ]

Mythische Kosmogonien (Weltenstehungen) lassen die reale Welt durch eine Teilung aus einer Einheit entstehen. Der generelle Ausdruck für diese Ur-Teilung lautet „Himmel und Erde“. Das ist sozusagen Standard - mir ist aus keinem Mythos dieser Art eine Ausnahme bekannt. Die Erde ist dabei der menschliche Lebensraum.

Es finden sich aber auch Mythen, in denen diese Zweiteilung in eine Dreiteilung weiterentwickelt wird. Hier liegt die Erde dann in der Mitte zwischen einer Überwelt (Himmel) und einer Unterwelt.

Diese Dreiteilung findet sich ebenfalls weltweit verbreitet, vor allem im westeuropäischen, vorder-, ost- und nordasiatischen Raum. Meist ist die Unterwelt dann der Aufenthaltsort der Toten. Das Hauptattribut dieser Unterwelt ist zunächst die Dunkelheit. Bekanntestes Beispiel für diese Ur-Dunkelheit ist das frühsemitische tamtu (akkadisch), tiamat (babylonisch), tehom (hebräisch, siehe 1. Mose 1.2). Auch in Ägypten (Hermopolis = Aschmunen) ist diese „ortlose“ Dunkelheit bereits von kosmogonischer Bedeutung (nun, kek, heh, niu).

So ist sowohl semitisch scheol, griech. erebos („Dunkelheit“), abyssos („Tiefe“), haides („d. Unsichtbare“, Hades. Es ist ein verkürzter Ausdruck für ‚Haus des Hades‘), tartaros, lat. infernum („Tiefe“) zunächst lediglich ein „dunkler“ Aufenthaltsort der Toten. Ebenso ist die altnordische hel, gotisch halja, die auch als Göttin Hel (Tochter des Loki) auftritt, und das mit ihr assoziierte niflheim („Schattenreich“), in dem die Hel die Gestorbenen festhält, nur dunkel (Letzteres allerdings auch kalt).

Ideen eines Ortes der Qualen, bei denen sadistische Dämonen und vor allem Feuer eine Rolle spielen, kommen aus Griechenland und Ägypten in die urchristliche Mythologie und Dämonologie. Im griechischen Tartaros, in dem Rhadamantys einer der Richter ist und der noch unter dem Hades liegt, wird auf raffinierte Weise gefoltert: Sisyphos und Tantalos sind die prominenten Beispiele, für die Qualen der Schwerverbrecher sind die Erinyen (die lat. Furiae) zuständig. Erinys ist bei Homer die für Strafen zuständige Göttin.

Dort gibt es auch einen reißender Strom aus Feuer, der sich als Feuersee auch in einem ägyptischen, von Apophis beherrschten, Totenreich wiederfindet: Hier erleiden die Toten einen zweiten - und endgültigen - Tod.

Diese Vorstellungen schlagen sich zunächst nieder bei den Synoptikern (Matthäus, Lukas) und in der sog. Johannes-Apokalypse (Feuersee Apk. 19.20ff), später in der sog. Petrus-Apokalypse, die übrigens in Ägypten entstanden ist.

Die neutestamentlichen griechischen Texte versammeln viele der Vorstellungen der damaligen Mittelmeerländer und verwenden deren Bezeichnungen scheol, haides, geenna (aus dem arabischen entlehnt) bereits zweckbestimmt verändert, ebenso wie ja auch die Bezeichungen diabolos, daimon, satan, beelzeboul, beelzeboub für die Herrscher über diese Unterwelten (siehe FAQ:1518). Diese Räumlichkeiten sind vorzüglich in der Johannes-Apokalypse Orte, an denen sich die Toten bis zum „Endgültigen Gericht“ aufhalten. Für die Gottlosen ist dann der aus Ägypten stammende Feuersee der Bestimmungsort.

Aus ägyptischen und babylonischen Quellen kommen auch Vorstellungen über die dschehenna der islamischen Welt, wo sie mit orientalischer Phantasie angereichert ausgemalt werden.

Die späteren christlichen Höllenphantasien der europäischen Dichtung (z.B. der Heliand) bekommen ihre Ausprägung vor allem durch die Petrus-Apokalypse (ca. 2. Jhdt), von der sich auch Dante bei der Beschreibung des Inferno in seiner Divina Comedia inspirieren ließ. In der althochdeutschen Literatur kommt vor allem das (siedende) Pech dazu. Der Schwefel(gestank) hat sicher andere Quellen, die ich in der Kurzen Geschichte des Teufels FAQ:1518 unter der Herkunft des Namens „Mephistopheles“ schon erwähnte. Der Schwefel (griech. theeion) wird allerdings auch bereits in der Johannes-Apokalypse (19.20) erwähnt.

In der christlichen Theologie ging es unter anderem um die Frage, ob die Hölle nur ein vorübergehender Aufenthaltsort ist. Der Kirchenlehrer Origenes sieht sie als vorübergehenden Aufenthaltsort, weil er eine ewige Qual als Widerspruch zur Güte und Gnade Gottes sieht. Für Vorstellung einer ewig unentrinnbaren Hölle zeichnet u.a. Augustinus verantwortlich.