Kurze Geschichte des Teufels

Dieser Artikel wurde von @Metapher verfasst.

Die Geschichte dieser merkwürdigen Gestalt, die sich im christlichen Europa unter der Bezeichnung „Teufel“ ausgebreitet hat, füllt ganze Bibliotheken. Sie umfasst (mindestens!) die gesamte Dämonologie (und deren Geschichte) von Westeuropa bis Indien und von Nordeuropa bis zum Persischen Golf.

Zunächst zur Etymologie: Das Wort Teufel hat ebenso wie :engl. devil seinen Ursprung im griech. diabolos (= Verwirrer, genauer: Durcheinanderwerfer, dann aber auch: Zerstörer). Gotisch wurde das zu diabulus , dann mittelhochdeutsch zu tiufal , bei Notker heißt es tievel.

Der griech. diabolos hat ursprünglich mit dem moralischen Begriff „böse“ nichts zu tun. Diesen Zusammenhang hat er erst durch einige neutestamentliche Autoren bekommen und ferner durch die Strömungen in griech./römischen Mysterienkulten ( Demeter, Isis, Dionysos, Mithras usw.) und in gnostischen und hermetischen Strömungen.

Immerhin ist das Taurobolium der römischen Form des Kybele-Attis-Kultes eine der Quellen seiner späteren europäischen Stiergestalt (s.u.).

http://de.wikipedia.org/wiki/Taurobolium#mediaviewer…

Die sonstigen Eigenschaften und die Gestalt dieses Wesens „Teufel“ in der europäischen Kultur- und Kunstgeschichte ist eine Bibliothek für sich: Dass die Grundfigur ein Stier ist (der "Pferde"fuß ist ein Paarhuferfuß, außerdem hat er noch zottiges Fell, Rinderschwanz und Hörner…), das legt die Spur in die ganz alte Vergangenheit Westeuropas, wo (Höhlenkulte, Lascaux , Altamira usw.) teilweise der Stier für kosmologische Signaturen herhielt (z.B. Hörner = Mondphasen usw.).

Siehe hierzu:
Marie König: Unsere Vergangeheit ist älter. Höhlenkult Alt-Europas.
ISBN 3810510157 Buch anschauen

Der Schwefeldampf führt zu dem Namen (mit nicht ganz eindeutig geklärter Herkunft) Mephisto bzw. Mephistopheles , in dem sich wahrscheinlich die italische Göttin Mephitis/Mefitis verbirgt, die etwas mit üblen und giftigen Dämpfen zu tun hat. Sie ist eine vulkanische Gottheit aus der Gegend um Neapel, wo es noch heute viele Schwefel quellen gibt. Mit ihrem Namen verwandt ist übrigens mittelhochdeutsch „muf“ (Muff = Schimmel, fauliger Geruch).

Seine Bezeichnung als Luzifer beruht auf einem religionshistorischen Mißverständnis, das bereits auf den Evangelisten Lukas zurpckgeführt werden kann:

Es gab eine römische (genauer: italische) Gottheit, die dort Luciferus (= Lichtbringer) hieß, und die mit dem keltischen Lug und dem nordgermanischen Loki (von dem St. Lucia eine christliche Übernahme ist) eine uralte indogermanische Verwandtschaft hat. Dieser Luciferus ist in der röm. Mythologie der Morgenstern , der wiederum ein Sohn der Aurora (= Morgenröte, griech. Eos ) ist (siehe im Archiv unter Stichwort „Eos“).

Wie es nun zu der Assoziation mit Luzifer kommt, hängt unter anderem mit einer Verwechslung im Lukas-Evangelium zusammen. Lukas 10,18 „ich sah den Satan (siehe unten unter Punkt 1.a+b) wie einen Blitz vom Himmel fallen“ bezieht sich auf Jesaja 14,12 „… bist du vom Himmel gefallen, Sohn der Morgenröte [ben-schachar]“.

Diesen Gefallenen identifiziert Lukas also fälschlich mit Satan und da in der Zeitenwende als „Sohn der Morgenröte“ nur der römische Luzifer bekannt ist, kommt es zu dieser Identifizierung des Satan mit Luzifer. Siehe auch unten unter Punkt 3.a+b.

Der Zusammenhang ferner mit dem griech. diabolos als dem Zerstörer (ein Kapitel für sich, das in die griechische Dämonologie führt), ferner mit dem moralisch „Bösen“ und nicht zuletzt, wo er seine Flügel her hat, das führt dann schon gleich in die orientalische Welt zurück: in die persische Mythologie (besonders in die ursprüngliche Lehre des Zarathustra), ferner in die jüdische, ägyptische, babylonische, syrische und sumerische Dämonologie.

Es gab in der israelitischen bzw. jüdischen Dämonologie neben einer Unmenge von Gestalten, die allesamt aus babylonischen (und diese wiederum aus sumerischen) Quellen stammen, folgende Figuren, die Teil in der neutestamentlichen Literatur verzerrt reproduziert werden:

1a. einen Satan , der (wie der Name sagt) ein „Widersacher“ bzw. ein „Ankläger“ ist. Der Ausdruck satan wird im Tenach (sog. Altes Testament) aber nur an 3 Stellen (in Zachariah 3, in Hiob 1 und 2, und in 1 Chroniken 21) für eine übermenschliche Gestalt, also im Sinne eines Eigennamens verwendet. Sonst nur im Sinne „Gegenspieler, Ankläger“.

„Der“ Satan, der stellenweise auch Satanail heißt, ist:

  • teils eine einzelne Gestalt
  • teils die Bezeichnung für eine Klasse von Dämonen
  • teils deren Anführer

1b. dieser Satan wird dann anders auch als „Verführer“, „Versucher“ dargestellt, nämlich später im „Neuen Testament“, wo er zum Widerstand gegen die Gebote Gottes verführt.

Ob Satan als „Engel“ bezeichnet werden kann ist unklar, weil die jüdischen bzw. semitischen (also arabischen, babylonischen, phönizischen, aramäischen…) Begriffe ganz andere Bedeutung haben als das griech. aggelos , das ja „Bote“ heißt. Insbesondere haben eigentlich weder die griech. aggeloi noch der hebräische Satan Flügel!!!

  1. einen Sammael , der insbesondere als der höchstrangige „Engel“ bezeichnet wird, höher als die Seraphim , er ist feurig und hat - im Unterschied zu den 6-flügeligen Seraphen - 12 Flügel.

3a. + 3b. einen Sohn der Morgenröte (was allein zu der späteren Identifizierung mit Luzifer führt, siehe oben), insbesondere in Jesaja 14.12, wo geschrieben ist (wie auch an einigen anderen Stellen), daß er vom Himmel gestürzt wird. Dieselbe Erzählung in Ezekiel 28, 14ff.

Aber in beiden Stellen wird sein Name nicht genannt, abgesehen davon, daß die Bezeichnung " Cherub" in Ezekiel für diese Gestalt sowieso nicht zutrifft.

  1. gibt es eine ganze Reihe von Dämonen-Arten, die dem Menschen teils Übel wollen, teils Gutes tun, die ebenfalls aus der babylonischen Dämonologie übernommen wurden:

Utukku , Alu , Ekimmu , Gallu , Ilu-Limnu (= böser Gott), Rabisu - und ferner noch insbesondere einen bösen und zum Bösesein animierenden Belial/Beliar. Belial (hebr.: belija’al) kann man übersetzen mit „Nichtsnutzigkeit“, aber auch mit „Vernichter“.

  1. einen Beelzebub und einen Beelzebul , die nicht identisch sein können, weil sie unterschiedliche Etymologien haben.
    ba’al-z.bl = Baal-Zebu l („Herr-Fürst“) ist nämlich ein lokaler kanaanäischer Hochgott, der von den Israeliten, vielleicht in der Moses-Aaron-Periode, negativ definiert wurde zum Zweck ethnisch-kultureller Abgrenzung: Sie machten daraus den ba’al-z.bb = Baal-Zebu b (= Herr der Fliegen). Diese eigentliche Blasphemie, war noch zur Zeit der Evangelien-Abfassung so geläufig, daß sie dort sogar für Dämonennamen auftaucht.

  2. Die „Schlange“ aus dem „Paradies“-Mythos 1. Mose 2.4ff (der Garten heißt eigentlich gan-b’edän = Garten der Lust - eine ähnliche Urwelt wird in altpersischen Mythen als pairi daeza bezeichnet, woraus sich griech. paradeison ableitet), führt auf einen babylonisch-sumerischen Sandsturm-Dämon lil , lilitu und ardat lili zurück, der auch als Schlange präsentiert wurde. Ardat-Lili bildet sich in der israelitischen Dämonologie in Lilith um, ein weiblicher Dämon, der Männer verführt, und der auf Umwegen sich in einen mündlich überlieferten Mythos von Adams erster Frau verwandelt.

Siehe hierzu:
http://www.wer-weiss-was.de/article/898184

Aus diesen an sich schon komplizierten - aber völlig verschiedenen !! - Elementen macht nun die Geschichte nach und nach zwischen dem babylonischen Exil, der rabbinischen Literatur, den Büchern 1. + 2. Enoch (1. Jhdt. n. Chr.), den neutestamentl. Schriften und dann noch der Gnosis und weiterer Bewegungen ganz allmählich das, was den europäischen „Teufel“ ausmacht:

Sammael (höchstes, dann gestürztes Feuer-Flügel-Wesen) wird mit Satan, dem Gegenspieler, Ankläger, Widersacher und dann mit Satan, dem Zum-Bösen-Verführer identifiziert. Dies wird mit Beliar u.a. schadenzufügenden und bösewollenden Dämonen, mit Baal-zavuv, einem Hochgott der Nachbarn, gemischt und ferner noch mit dem zarathustrischen Angra Maniav (= Ahriman , böser, schadender Geist, Gegensatz zu Spenta Maniav = heiliger Geist!! die historische Quelle des spiritus sanctus!!), dann mit dem „Sohn der Morgenröte“ und naheliegend daher mit dem Luzifer (einem Lichtgott!!) - die Flügel verändert zu Vampir-Flügeln durch Kontamination mit ägyptischen Vampir -Mythologien, und dann im N.T. die Identifizierung mit griechischen Dämonen, speziell mit dem Diabolos, dem Zerstörer - und dann das ganze ab nach Westeuropa, wo seit einigen zig-tausend Jahren ein kosmologischer Stierkult wartet, wobei noch schnell eine italische Vulkangöttin Mephitis mitkomponiert wird.

Für die weitere Ausmalung der Konturen des europäischen Teufels im Zusammenhang mit dem Szenarium der Hölle sind danach noch verantwortlich das sog. " Petrus-Evangelium", Dantes " Inferno" sowie der altdeutsche heliand. Siehe hierzu FAQ:1527 „Kurze Geschichte der Hölle“.

Goethe hat im Faust alle diese historischen Zusammenhänge in die Gestalt des Mephistopheles einkomponiert. Um zu sehen, welche und wo, müßte man die einzelnen Stellen aus dem Faust diskutieren.